Zurück zur Startseite

Ein Wochenende mit dem Elektro-Motorrad beim Ironman-Rennen

Details zum Motorrad: Zero DSR
Freitag: Abholung und Vergleich mit dem BMW-Elektro-Roller
Samstag: Kennenlern-Tour nach erstem Ladezyklus
Sonntag: eigentlicher Einsatz beim Radrennen
Montag: Rückgabe
Was ich mir noch wünschen würde bzw. vorstellen könnte

Details zum Motorrad: Zero DSR

Es geht konkret um das Modell DSR von der Marke Zero Motorcycles. Das ist eine von den vier Modellvarianten S (Street), DS (Dual Sport - mit etwas mehr Federweg und Reifengrobstolligkeit), SR und DSR (entspricht jeweils S und DS mit stärkerem Motor). Außerdem gibt es im aktuellen 2016-Zero-Programm noch einen Crosser bzw. Supermoto mit etwas anderem Aufbau und insbesondere schnell wechselbarem Akku. In Testberichten von ungefähr vorletztem Jahr liest man Kritik wegen der verbauten Billigkomponenten bei Reifen, Gabel, Bremsen u.ä. - aber der 2016er Jahrgang hat jetzt Showa-Gabel, Pirelli-Reifen, und Bosch-ABS.

Gesamtansicht rechts Gesamtansicht rechts vorn Gesamtansicht links vorn

Das Drehmoment beträgt laut Prospekt 144 Nm ab Drehzahl 1 - da ahnt man auch schon "trocken", was da gegenüber benzingetriebenen Motorrädern abgeht (die auch bei deutlich dreistelligen PS-Zahlen oft nur undeutlich dreistellige Drehmomentwerte aufweisen, und auch das erst bei höheren Drehzahlen und diversen Schalt-Unterbrechungen): eine Beschleunigung, die alles andere in den Schatten stellt (und die Geräuschkulisse beschränkt sich auf das Reifen-Abrollgeräusch).

Interessanterweise ist die Spitzenleistung mit 67 PS (50 kW) angegeben, aber die für die Zulassungspapiere maßgebliche Nennleistung nur 16 kW, so daß es auch für Stufenführerschein-Inhaber legal fahrbar ist. Einige Modelle gibt es zudem mit reduzierter Nennleistung (aber trotzdem fast vollem Drehmoment ;-) tauglich für den "125er-Führerschein".

Die Prospektangaben für die Reichweite mit einer Akkuladung liegen je nach Fahrweise zwischen 113 und 237 Kilometern (um es vorwegzunehmen: 140..150 km erweisen sich im Landstraßenbetrieb als realistisch), die Ladezeit von ganz leer bis ganz voll 8,4 Stunden. Hierzu schließt man einfach das beigelegte Kabel an eine normale Steckdose an. (Laut Handbuch solle es auch bei Nicht-Nutzung möglichst ständig am Ladekabel angeschlossen bleiben und würden die letzten 5% auf jeden Fall eine halbe Stunde dauern, egal wie leistungsfähig die Ladungsquelle wäre.) Zum Fahren gibt es fest eingestellt einen Eco-Modus und einen Sport-Modus (dürfte beides selbsterklärend sein) und außerdem einen Custom-Modus, wo man die maximale Geschwindigkeit, Beschleunigung und Rekuperation (Bremswiderstand mit Rückspeisung in den Akku) individuell einstellen kann (wenn man denn ein geeignetes Smartphone hat).

Cockpit im Normalbetrieb Cockpit beim Einschalten

Zur Erhöhung der Akku-Kapazität bzw. Reichweite gibt es optional einen Zusatz-Akku namens Power-Tank. Zur Verringerung der Ladezeit gibt es optional einen Adapter namens Charge-Tank (nicht kombinierbar mit dem Power-Tank) zum Anschluß an "Level-2"-Ladestationen. Oder man kann (auch mit dem Power-Tank) bis zu 4 zusätzliche externe Ladegeräte kaufen, wenn man genug unabhängige Steckdosen hat (eine übliche 16-Ampere-Sicherung verkraftet maximal 2 Ladegeräte, das im Motorrad eingebaute mitgezählt). Unter 2..3 Stunden Ladezeit kommt man aber auch mit alledem nicht.

Freilich ist die Chademo-Lade-Option (mit der man in einer Stunde auf 90% hätte laden können sollen) von vor 2 Jahren aus der Ausstattung wieder verschwunden, ebenso die Speichenräder. Ebenfalls verschwunden oder zumindest zur Zeit nicht mehr aktiv sind die Pioniere Quantya und Vectrix, auch Brammo ist ungewiß - da bleibt an halbwegs ernstzunehmenden Motorrädern (also was nicht nur in die Kategorie "Designstudie ohne ersichtlichen Praxisnutzen" oder allenfalls "Gehhilfe für wenige Meter ums Haus herum" fällt) nicht mehr allzuviel übrig ...

Ladebuchse zugestöpselt Ladebuchse offen

Das mal genauer auszutesten (über eine Handvoll Ladezyklen hinweg, wie weit mir eine Akkuladung konkret reicht und ob das mit dem Laden an der nicht ursprünglich darauf ausgelegten Garagensteckdose klappt) hatte ich mir also vorgenommen, nachdem ich (als Nachwirkung von Germersheim) zuvor mal eine kurze Kennenlern-Probefahrt absolviert hatte.

zum Seitenanfang


Freitag: Abholung und Vergleich mit dem BMW-Elektro-Roller

Am frühen Abend treffe ich also beim Vertragshändler ein, um für das Wochenende die Zero DSR entgegenzunehmen. Wenn ich nun etwas mehr Zeit als bei einer "normalen" Probefahrt habe, würde es sich doch anbieten, den einen oder anderen elektromotorischen Kandidaten im direkten Vergleich zu fahren? Das wäre zum Beispiel die KTM E-Freeride - wo jedoch beim nahegelegenen Vertragshändler der erste Vorführer bereits verkauft und der zweite noch nicht in Betrieb sei. Also dann zu BMW zum Elektro-Roller "C evolution", wo Schnittmengen zwischen Wetterprognose und Verfügbarkeiten auf "am besten jetzt gleich" hinausliefen.

Nach zweimal der gleichen Strecke durch die Karlsruher Außenbezirke (einmal mit BMW, einmal mit Zero) folgt mit der Zero noch eine Schleife über Land, bis die Regenwolken und der Akkustand das Ansteuern der heimischen Garage anraten.

Daheim herrscht erst einmal Aufregung, denn in der Garage ist der Strom weg (ob schon vorher gewesen, oder weil ich das Ladekabel in die noch etwas nasse Buchse gesteckt und damit die Sicherung rausgeworfen habe, bleibt unklar). Da muß ich die Leute aus dem Nachbarhaus herausklingeln und im richtigen Keller die richtige Sicherung suchen, damit es wieder läuft, d.h. der Zero-Akku über Nacht vollgeladen wird.

zum Seitenanfang


Samstag: Kennenlern-Tour nach erstem Ladezyklus

Am Nachmittag folgt eine Besichtigung der 90 km langen Strecke für das Ironman-Hauptrennen - aber nur etwa bis zur Hälfte, denn es soll noch genügend Ladestand für das abendliche Vor-Rennen bleiben. Die Aufgabe ist hier, dem letzten aktiven Teilnehmer hinterherzufahren, um somit das Ende des Feldes zu kennzeichnen (und zwischendurch eine Nachricht zum Startbereich zu überbringen, daß ein Teilnehmer verletzungsbedingt ausscheidet - einige der Rennkommissare haben theoretisch Funkgeräte, aber praktisch keine Verbindung). Nach dem Ende des Rennens ist sowohl vom Tag als auch vom Akku-Ladestand noch genügend übrig, um heimwärts eine "überflüssige" Schleife zu drehen, um in kleiner werdenden Kreisen um die Garage herum den Akku möglichst leerzufahren. Schließlich gebe ich auf, als die 3% eine gefühlte Ewigkeit lang nicht weniger werden wollen, und schließe über Nacht wieder das Ladekabel an.

zum Seitenanfang


Sonntag: eigentlicher Einsatz beim Radrennen

Beim Triathlon ist gegenüber normalen Radrennen eine Besonderheit, daß Windschattenfahren verboten ist und mit Zeitstrafe geahndet werden kann. Weiterhin gibt es keine speziellen Profi-Rennen, sondern die Profis fahren an der Spitze (meistens jedenfalls ;-) von Amateurrennen mit. Die offizielle Bezeichnung lautet dieses Mal "Sparkasse IRONMAN 70.3 Kraichgau powered by Kraichgau Energie" - nennen wir's der Einfachheit halber Kraichgau-West. (Denn ein der Einfachheit halber Kraichgau-Ost zu nennendes Rennen gibt es ebenfalls, dieses Mal mit dem offiziellen Namen "Sparkassen Challenge Heilbronn powered by Audi - Your Road to Roth". Dort war zwei Wochen später der besagte BMW-E-Roller in zweifacher Ausführung am Start (nein, nicht mit mir), jedoch nur auf der Laufstrecke und hat sich nicht auf die eigentliche Strecke begeben.)

Fotograf am Schwimmstart Schwimmstart Schwimm-Ausstieg

Die Anfahrt zum morgendlichen Treffpunkt im Startbereich braucht knapp 10 Kilometer und gut 5% Akkustand. Dort werden die Schiedsrichter (hier Kampfrichter genannt, aber der Begriff klingt ebenso martialisch wie er in bekannteren Sportarten ungebräuchlich ist) und Fotografen auf die Motorräder verteilt (und diese Paare bleiben dann auch den ganzen Tag zusammen). Bis zum tatsächlichen Einsatz dauert es gut zwei Stunden - und bis dahin ist die Akku-Ladestand-Anzeige von den ca. 95% wieder auf 100% gesprungen (aber ohne daß jemand heimlich nachgeladen hätte, was an Hand einer anderen Anzeige aufgefallen wäre).

Einer ganzen Reihe der anderen Begleitmotorradfahrer fällt durchaus auf, mit was ich da anrücke: ich kann mich kaum retten vor Fragen nach der Reichweite (150 km mit meiner bisherigen normalen Fahrweise), Ladezeit (von ganz leer bis ganz voll 7 Stunden) und Preis (je nach Ausstattung 15- bis 17.000 Euro). Aufforderung zu einem Beschleunigungsrennen gibt's freilich keine (dabei hätten wir doch heute eine abgesperrte Strecke ;-)

Fahrräder zum Start vorbereitet

Zu gegebener Zeit geht es also los als Schiedsrichter-Taxi auf die Ironman-Radstrecke. Zwei von den Athleten bleiben in besonderer Erinnerung: einer kippt kotzend beinahe vom Rad und erzählt dann etwas vom Magenkrämpfen und daß er sich hiermit aus dem Rennen abmelden will - oder doch nicht? "ich mach' erstmal ein paar Minuten Pause und überleg's mir dann nochmal ..." Weiter unterwegs, als mein Schiedsrichter eine Zeitstrafe (oder war's nur eine Ermahnung? weiß nicht mehr) ausspricht, meckert ein anderer im Vorbeifahren ungefähr "jetzt mecker nicht rum" - und überholt uns ein Stück weiter in großem Bogen ganz am linken Straßenrand. Meine Fresse, was denkt denn der sich: zum einen überhaupt, zum anderen sind wir hier auf dem Gegenverkehrsabschnitt und das zu einer Zeit, wo man jederzeit damit rechnen muß, daß die Spitze des Felds auf dem Rückweg angeschossen kommt. Als wir ihn dann erneut überholen, meckert er nochmals unflätig herum. Für mein Empfinden hätte das durchaus für eine oder gar mehrere rote Karten reichen können - mein Schiedsrichter beläßt es aber bei einem "jetzt halt mal den Ball flach". An der Quälsteigung in Gochsheim machen die Zuschauerreihen einen etwas lichten Eindruck: jeder der wollte, bekam einen Platz in der ersten Reihe (möglicherweise lag das auch daran, daß sich schon einiges wieder verlaufen hatte, bis ich relativ weit hinten im Feld durchkam). Immerhin war die Anfeuerungsmalerei auf der Straße aufgefrischt worden, die über einige Jahre hinweg immer bleicher geworden (und auch am Vortag noch gewesen) war.

Beginn der Radstrecke

Bei der gemäß Vorgabe praktizierten Durchschnittsgeschwindigkeit von 26 km/h ergibt (aus gefahrener Entfernung und Akkustand-Differenz) die Reichweite rechnerisch 278 km - was sogar noch über der Prospektangabe liegt und zum anderen auch den Einsatz bei Langdistanzrennen in Schlagweite rücken läßt (sofern man es denn schafft, mit nahezu vollem Akku am Start und mit nahezu leerem Akku am Ziel zu sein und trotzdem noch vorher hin- und nachher wieder wegzukommen).

Es gibt nachmittags ein weiteres Rennen über die sogenannte olympische Distanz, wo ich nicht mehr im Einsatz bin - sondern den noch halbvollen Akku wieder ans Ladekabel hänge und am Abend vollgeladen eine "normale" (abseits des Rennbetriebs) Tour unternehme. Zwischendurch gebe ich mal ordentlich Stoff, was den Tacho bis auf 161 km/h treibt (die 164 aus dem Certificate of Conformity werden somit nicht ganz erreicht, die 158 aus dem Prospekt jedoch überboten). In der einbrechenden Dunkelheit endet der Fernlichtschalterbetätigungsversuch gelegentlich mit dem Warnblinker oder einmal auch Hupe. Die hatte ich am Vorabend verstärkt benötigt, als Zuschauer nach Durchfahrt des Hauptfeldes auf die andere Seite der Straße bzw. Rennstrecke wechselten.

Lenkerarmatur links Lenkerarmatur rechts

zum Seitenanfang


Montag: Rückgabe

Weil ich das Motorrad nicht vor 10 Uhr zurückgeben kann und auch kein anderes Probefahr-Gefährt mehr auf dem konkreten Plan steht, kann ich doch einfach so noch eine Akkuladung sinnlos verheizen ;-) und tue das im Eco-Modus (nach der Sonntagabendtour im Sport-Modus), an deren Ende ich das Ziel mit noch 11% Rest-Stand erreiche. Es hat schon was, direkt von der Straße durch die Schiebetür bis vor den Verkaufstresen zu fahren und dort zu fragen "wo soll ich's hinstellen?" ;-)

Wobei sich im Landstraßenbetrieb kein nennenswerter Unterschied in der Reichweite zwischen Sport- und Eco-Modus zeigt. Lediglich hat man mit letzterem das Gefühl, beim Anfahren nicht so recht aus dem Quark (und insbesondere nicht dem BMW-Roller hinterher) zu kommen. Nützlich bis zwingend ist der Eco-Modus aber, wenn man zum Beispiel auf einem steilen Hohlweg mit feuchtem Laub steht: mit dem vollen sportlichen Krafteinsatz kommt man da nicht vom Fleck (in Ermangelung einer Antischlupfregelung).

Vorderrad Hinterrad

zum Seitenanfang


Was ich mir noch wünschen würde bzw. vorstellen könnte

Daß man die Rekuperationsstärke nur durch Umschalten auf einen anderen Fahrmodus regeln kann (sowohl bei Zero als auch BMW), ist irgendwie ein Käs. Der (vor einigen Jahren probegefahrene) Vectrix-Roller macht das schlichtweg bei entsprechend starkem Rückwärtsdrehen des Gasgriffs - womit auch die mechanische Bremse in etlichen Fällen überflüssig ist. (Aus gut unterrichteten Kreisen war zwischenzeitlich zu erfahren, daß dieser Negativ-Gasgriff von Vectrix als Patent unter Verschluß gehalten werde.)

Vectrix-Rückwärts-Gasgeben im Stand läßt den Motor tatsächlich rückwärts laufen (bis max. 4 km/h). Bei BMW gibt's zu diesem Zweck einen Taster am Lenker, bei Zero gibt's nichts derartiges ersichtliches.

Der BMW-Roller haut beim Ausklappen des Seitenständers irgendeine Bremse rein (wogegen die Zero einfach davonrollen würde, wenn der Untergrund hinreichend schräg ist).

Der Ladestrom ist bei der Zero nicht regelbar (beim BMW hingegen schon): sie nimmt sich einfach ihre 1500 Watt - und wenn das bei einem nicht auf diese Stromstärke ausgelegten Stromnetz die Sicherung rauswirft, hat man Pech gehabt.

Und schließlich: die Zentrale von Zero sitzt ja ziemlich direkt neben Tesla. Ob die sich wohl auf eine Technik verständigen könnten, mit der man mit der Zero die Tesla-Schnellladestationen benützen kann?

zum Seitenanfang


© 1999-2016 by webmaster@martin-theodor-ludwig.de - letzte Änderung 30. Jun 2016, 23:52:45