(Für Fragen oder Anmerkungen: .) | Richtung Osten - Teil 1: Vorbemerkungen Technische Anmerkung: dieser Text beinhaltet osteuropäische Umlaute aus ISO-8859-2. Wer in £ódz keine polnische Stadt erkennt, sondern britische Pfund mit komischem Anhang, hat sein Anzeigegerät unpassend eingestellt (bei Webbrowsern: Ansicht - Codierung - Zentral-/Osteuropäisch ISO), ebenso bei Z3oty statt Zloty (aber auch die den deutschen Umlaute gehen schon mal kaputt, wenn man sie mittels Google-Groups anschaut statt NNTP). Des weiteren erlaube ich mir, russische Namen so in lateinische Buchstaben zu transkribieren, wie es in meiner Schulzeit üblich war, und nicht (unbedingt) so, wie es (heute) auf manchen Schildern steht. Wieder nach Russland zu fahren hatte ich schon länger in der Überlegung, aber Jahr um Jahr wurde es nichts. Das letzte Mal war 2010 (vor 5 Jahren) gewesen. Nach einigen Anläufen hatte sich Anfang 2014 ein Mitfahrer gefunden (nennen wir ihn Hajo). Aber dann kam die Vereisung des politischen Klimas - bekommt man da noch ein Visum für mehr als 30 Tage, die bis zum Baikalsee unzureichend oder zumindest arg knapp wären? Was ist, wenn die mittendrin die Geldautomaten abschalten? Was für Konsequenzen bezüglich der Behandlung fremder Motorradfahrer in Russland hat die nicht gerade zuvorkommende Behandlung der Nachtwölfe (ein Putin-nahestehender russischer Motorradclub) auf ihrer "Siegestour" im Frühjahr 2015 nach Polen und Berlin? Aber andererseits könnte bzw. sollte man den russischen Motorradfahrern (die uns die letzten Male so überaus freundlich in Empfang genommen hatten) gerade jetzt zeigen, daß man sie nicht völlig vergessen hat. Ein Omsker Bekannter vom letzten Mal schrieb auf Anfrage, ich solle mir wegen der Nachtwölfe keine Sorgen machen (und klang dabei so, als ob sie sich über einen erneuten Besuch freuen würden wie die Schneekönige). | Richtung Osten - Teil 2: Deutschland - Moskau-Nord ° Tag 1 Am späten Vormittag des tatsächlichen Aufbruchtages trifft Hajo bei mir ein. Über die A6 und A9 (wobei an einer Tankstelle eine Goldwing in Erinnerung bleibt, die einen Radau macht wie sonst eher nur Harleys) geht es mit unseren zwei Africa Twins Richtung Berlin und dort noch ein Stückchen nach Osten, bis wir uns in einem Gasthaus im Spreewald einquartieren. Anfangs ist es noch sonnig, später wolkig, aber trocken. Die OSM-Karten für Russland bringe ich immerhin mal auf dem Netbook in Mapsource zum Laufen, nachdem ich herausgefunden hatte, was und wie die (auf Russisch dokumentierte) Installations-Batch-Datei macht: nämlich der Registry die nötigen Keys hinzufügen (nachdem sie zuvor alte Versionen gelöscht hat). Das funktioniert aber nicht im Normalbetrieb, sondern nur beim Ausführen als Administrator. ° Tag 2 Die deutsch-polnische Grenzabfertigungsanlage macht (dank Schengen und weggefallenen Kontrollen) nicht den frischesten Eindruck. Ein paar Z³oty sollten wir uns beschaffen - selbst wenn man an Tankstellen meistens und beim Übernachten häufig mit Karte zahlen könnte, ist es spätestens beim Essen sehr von Vorteil, das richtige Bargeld zu haben. Bankomat ist an der Grenze keiner auffindbar, aber in einer der Baracken eine Wechselstuben mit vernünftig aussehender Differenz zwischen Ankaufs- und Verkaufskurs. Für 150 Euro gibt es 602 polnische Z³oty (sogar mit Transaktionsbeleg und ohne Transaktionsgebühren). An den nachfolgenden Autobahntankstellen hätte es jeweils auch Bankomaten gegeben. Kurz danach beginnt es zu regnen - aber kaum daß wir das Regenzeug angezogen haben und 20 km weitergefahren sind, hört es auch schon wieder weitestgehend auf. Berlin - Warschau ist durchgehend als Autobahn ausgebaut (in Polen A2 - "Autobahn der Freiheit" genannt), aber abschnittsweise mautpflichtig und dabei nicht gerade billig. Die 300 km von der deutsch-polnischen Grenze bis Konin verlangen in drei Etappen rund 70 Z³oty (soweit ersichtlich für Motorräder der gleiche Preis wie für Autos), dazu kommen westlich von £ódz nochmal 5 Z³oty (hier aber nur halber Autopreis und eine recht lange Strecke). Von £ódz bis Warschau ist es gratis und führt einmal durch ein Stangengeschlängel hindurch, von dem nicht ganz klar ist, ob das eine Mautstelle im Aufbau oder im Abbruch darstellt. Laut Aushang würden die Mautstellen auch Euro zum Kurs 1:4 (zu einem ähnlichen Kurs ebenfalls US-Dollar ;-) annehmen und aber das Wechselgeld in Z³oty herausgeben. In Warschau läuft es (vor allem an einer Großbaustelle) etwas zäh, wobei Hajo ein bedenkliches Ansteigen seiner Motortemperatur feststellt. Hinter Warschau (bzw. im konkreten Fall Lomza) machen sich die Hotels rar - in Grajewo bekommen wir schließlich ein Zimmer, aber um 20 Uhr nur noch mit Mühe etwas zu essen. Ersatzweise schaffe ich es, mich an die Anleitungen der vorletzten drm-Megafete zu erinnern und die russische OSM-Karte vom Mapsource auf das Zumo zu transferieren (und dort auch tatsächlich betrachten zu können). ° Tag 3 Wir fahren weiter durch Polen nach Litauen und durch selbiges hindurch nach Lettland (die beiden Länder bringe ich gelegentlich durcheinander, wenn es im ihre Namen auf Englisch bzw. Russisch geht). Anfangs ist es wieder regnerisch, später zumindest nur noch bewölkt. Hier kann man sich schon etwas auf Russland einstimmen: die Landschaft und der Straßenverlauf (teilweise auch -zustand) weisen Ähnlichkeit auf. In Litauen haben die Verkehrsschilder exakt das russische Design - bis auf zwei Ausnahmen: den dicken schwarzen Punkt habe ich in Russland schon länger nicht mehr gesehen (aber beim ersten Mal durchaus), und zwei sich auf eine vereinigende Fahrspuren haben hier nur einen zusammenlaufenden Pfeil (ungefähr wie in Frankreich) im Gegensatz zu den getrennten russischen "Schmuse-Pfeilen". Lettland hingegen hat sich in diesem Punkt von Russland distanziert: die Verkehrsschilder erinnern von dem, was ich kenne, am ehesten an Italien. An einer Tankstelle meint die Kassiererin, man hätte sich hier an den (seit Jahresanfang eingeführten) Euro "schon beinahe gewöhnt" (und sucht bereitwillig einige der hiesigen Münzen als Wechselgeld heraus). Bei Daugavpils ist eine größere Baustelle, wo die Ampel rund 5 Minuten lang braucht, bis sie grün wird. Als das geschafft ist, stellt sich heraus, daß nochmal ein Dutzend von diesen Ampeln kommt. Und jede ist rot ... Nach einigen Kilometern freier Fahrt wiederholt sich das hinter Rezekne. Aber da erwischen wir die meisten Ampeln bei Grün, bzw. einmal fährt der von der vorigen Ampel ankommende Pulk einfach weiter, obwohl schon wieder rot ist - bis dann der drittletzte vor uns meint, doch anhalten zu müssen. Na gut, wenn er unbedingt überholt werden will ... Unsicher, ob wir noch heute über die Grenze wollen/sollen (und wie lange das dann dauert), fragen wir uns in Ludza (dem letzten größeren Ort vor der Grenze) durch nach einem Hotel (die beiden, die das Zumo zu kennen behauptet, stellen sich als nicht existent heraus). Das hoteleigene Restaurant hat eigentlich schon vorzeitig geschlossen. Aber nachdem wir die benachbarte Empfehlung ebenfalls schon geschlossen vorfinden, erbarmen sich die Kellnerinnen (die bei einem Festbankett im Nebensaal tätig sind) und machen uns noch ein Tellergericht warm. ° Tag 4 Nach kurzer Fahrt ist der Grenzübergang von Westeuropa nach Russland erreicht. Ein KTM-Fahrer erzählt, die lettischen Grenzer hätten ihn ganz ans Ende der Autoschlange zurückbefohlen, was er jedoch nur teilweise gemacht habe (und wir uns an gleicher Stelle einreihen). Nach dem lettischen Teil der Abfertigung (die deutlich intensiver ist, als ich das vom letzten Mal in Erinnerung habe) an der Zwischenschlange vor dem russischen Teil schickt uns hingegen die Einweiserin (als wir uns nach einiger Zeit schon mal zu Fuß dort zu melden) sofort nach vorne zur eigentlichen Abfertigung. Insgesamt dauert es knapp drei Stunden, bis wir durch sind und uns außerdem ein paar Rubel besorgt haben (ein Euro gibt 60 Rubel und somit rund doppelt so viel wie beim letzten Mal), was detektivischen Spürsinn bzw. Durchfragewillen erfordert - anders als in Polen, wo die Wechselstuben zahlreich und nicht zu übersehen sind. Dann geht es Richtung Osten und immer geradeaus. Bei Rshew (knapp 200 km vor Moskau) fängt es am späten Nachmittag wieder zu regnen an. Jeder normale Mensch würde sich da das nächstbeste Motel suchen und die Weiterfahrt auf den nächsten Tag verschieben. Aber wir sind ja schließlich nicht normal ;-) sondern erinnern uns, daß wir uns mit einer Abschwenkung nach Norden dem Ort nähern würden, wo ein einheimischer Motorradfahrer (nennen wir ihn Oleg) wohnt, der uns vor acht Jahren (als gleich zwei Mitfahrer-Motorräder in Streik traten) sehr behilflich gewesen war, und mit dem ich seitdem in losem Kontakt stehe. Immer mal wieder hatten wir an einem Besuch herumüberlegt, nie hat es geklappt - also wann, wenn nicht jetzt? Nach vorausgegangener Vorankündigung und Mitteilung der voraussichtlichen Ankunftszeit will er uns also in Twer in Empfang nehmen. Dort am Stadtrand sagt eine SMS "schick mir die genauen Koordinaten, wenn ihr da seid". So im Freien (und im Regen) an einer Kreuzung am Stadtrand? Besser drüben an der Tankstelle. Aber dazu müßten wir über die Pseudo-Autobahn von Moskau nach Leningrad (jaja, aber in dem Sinn, daß ich da war, liegt das immer noch 2:1 in Führung vor St. Petersburg) - also erstmal nach rechts bis zu einer offiziellen Wendestelle. Aber vor einer solchen kommt noch eine andere Tankstelle - und dort ist klar, daß ich keine Koordinaten mehr mitteilen muß, denn dort steht eine wohlbekannte Honda. Nach herzlicher Begrüßung geht es die letzten ca. 100 km (teils bei Dunkelheit im Regen) zu Oleg, der uns im Gästezimmer seiner Garage einquartiert und gleich nochmal verschwindet, um einen Imbiß zu besorgen. | Richtung Osten - Teil 3: Moskau-Nord - Omsk ° Tag 5 Den Sonntag verbringen wir bei und mit Oleg - erst mit ausgiebiger Unterhaltung über dies und jenes in seiner Garage bzw. Werkstatt. Unter anderem hat er eine komplette Schweißer-Ausrüstung nicht nur für "Normales", sondern auch für Aluminium. Später am Vormittag fährt er mit uns erst ins Ortszentrum, wo wir russische SIM-Karten erstehen (das als Ausländer ohne Dauerregistrierung zu bekommen war letztes Mal ein größeres Problem gewesen, aber jetzt klappt es relativ reibungslos - kosten tut der Spaß übrigens 600 Rubel für den Monat, mit deutschen Roaming-Preisen wäre mindestens der gleiche Betrag in Euro fällig geworden), dann zur Schwiegermutter (die die Banja angeheizt hat, in deren sachgerechte Benutzung wir eine praktische Einweisung bekommen), weiter zu seiner eigenen Familie (wo es ein Mittagessen gibt - "Restaurant? Bloß nicht, das was es hier gibt, ist entweder hundsmiserabel oder am Wochenende geschlossen"), in die Datscha (wo es eine Kleinigkeit zu reparieren gibt), dann ruft nochmal seine Frau an, sie habe einen Kuchen gebacken - und zwischendurch bzw. abends wieder in die Garage, wo wir ein zweites Mal übernachten. ° Tag 6 Auf einer von Oleg empfohlenen Nebenstrecke geht es nach Sergiev Posad (sowjetisch als Sagorsk bekannt) und weiter Richtung Moskau durch ein paar zäh fließende Großbaustellen. Da kommt der Verdacht auf, daß wir den Autobahnring übersehen haben und schon auf den "dritten" Innenring zufahren - aber an einer großen Kreuzung, wo nur noch innerörtliche und keine Fernziele mehr auf den Schildern stehen, erblicke ich genau das gesuchte MKAD-Ost, das später zum Beginn der Fernstraße M5 führt. Diese ist schon ab Moskau mit AH6 beschildert - das muß man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: ein Asia-Highway in Europa (und auch die Europa-Nummer E30 ist noch geraume Zeit in Asien zu sehen) ... ° Tag 7 Der Handy-Nachlade-Automat im Nachtquartier (ein Motel an der M5) hat eine seltsame Bedienführung: um zum gewünschten Provider MTS zu kommen, muß man den konkurrierenden Provider Megafon auswählen - und die Anfangsziffern für nationale vs. internationale Vorwahl richtig transformieren (die nationale Anfangs-8 entspricht offensichtlich der internationalen +7). Das Zumo navigiert reichlich "daneben", bis ich feststelle, daß ich immer noch die Karte von Westeuropa aktiv habe, statt daß ich auf Russland umgeschaltet hätte. Ohne großartige Zwischenerlebnisse folgen wir der M5, bis wir kurz vor Samara den Fahrtag für beendet befinden. ° Tag 8 Am nächsten Tag ist Schigulewsk zu durchqueren (was in der Hitze etwas anstrengend ist). An der Abzweigung nach Buguruslan habe ich schon wiederholt übernachtet. Das Gebäude hätte ich im Vorbeifahren wohl wiedererkannt, sehe aber in Nähe der vermuteten Stelle nur noch einen Schutthaufen. Ebenfalls nicht mehr in der erinnerlichen Form existent ist die Abzweigung nach Arslanowo (baschkirisch Aryslan geschrieben) mit einer ebenerdigen Wendespur zwischen den Richtungsfahrbahnen (und der interessanten baschkirischen Schreibweise von Moskau ;-). Sondern das ist jetzt ein "ordnungsgemäßes" Autobahnkreuz. Leider hat (wie erst hinterher festgestellt) die Cockpit-Kamera den Auslöseknopf nicht wahrgenommen, so daß ich jetzt mit früher nicht fotografisch gegenüberstellen kann. Was noch wie letztes Mal da ist, ist die große Entfernungstafel am Trassenkilometer 1275, aber mit deutlichen Verwitterungserscheinungen. Im Verlauf der Strecke sind mehrere mobile Radargeräte zu sehen (in der Häufung ist mir das an den anderen Tagen nicht aufgefallen), bei denen wir uns aber hinreichend brav verhalten. An Ufa fahren wir noch vorbei und suchen uns kurz danach wieder ein Motel. Hier gibt es (durchaus keine Selbstverständlichkeit) sogar WLAN - aber was für eins: lahm und ständig abbrechend. Da läuft ja die GPRS-Verbindung noch besser, die ich mit meinem mitgeführten (nicht UMTS-/LTE-tauglichen) Equipment hinbekomme (und die durchaus ausreicht, um die E-Mails auf den Netbook zu ziehen, sofern die Leute keine unvernünftig großen Anhänge mitsenden). Und das Inklusiv-Datenvolumen meiner russischen Handy-Karte würde für einen GPRS-Kanal für 29 Tage Dauerbetrieb reichen ;-) freilich muß ich dafür (weil ich nicht sämtliche Verbindungskabel dabei habe) die russische SIM-Karte doch wieder in das Erst-Handy stecken, das keine kyrillischen SMS schreiben kann (das extra besorgte Zweit-Handy könnte das, ist aber jetzt wieder Träger der deutschen SIM-Karte ...) ° Tag 9 Über dem Ural stehen Gewitterwolken, trotzdem entschließen wir und bis auf weiteres zur Weiterfahrt ohne Regenzeug. Geraume Zeit geht das gut, aber irgendwann regnet es doch auch auf unserer Strecke - auf einem offiziellen Parkplatz flüchten wir uns gerade noch rechtzeitig unter einen unbesetzten Verkaufsstand, bevor der Regen richtig stark (und mit Hagel durchsetzt) wird. Die Weiterfahrt nach einer knappen Stunde verläuft dann (bis zum Abend) wieder trocken. Mehrere Brückenbaustellen mit einspuriger Ampelregelung und (für Lkw) nur im Schritttempo passierbarer Engstelle sorgen für jeweils erheblichen Stau (war da womöglich irgendein Ferienanfangs-Reisetag oder sowas - auf der Rückfahrt war jedenfalls die Staulänge deutlich kürzer). Nach vorne fahren klappt ohne böse Reaktionen der Vierrädrigen. Einmal geht es aber auch vorn angekommen nicht weiter, denn da ist keine Baustelle, sondern ein Unfall mit einem Bus und noch einer Stunde Vollsperrung. An der euro-asiatischen Grenze schaut Hajo verwundert, wie ich quasi von Streckengeschwindigkeit aus Kreise um den Obelisken fahre, um schließlich direkt vor selbigem zum Stehen zu kommen: wenn man schon so selten hier vorbeikommt, dann muß dieses Foto sein ;-) Der große Platz davor ist bei dem regnerischen Wetter ziemlich leer - letztes Mal bei knallender Sonne war das ein Getümmel von fliegenden Souvenirständen. Die erste größere Stadt am asiatischen Teil der M5 ist Tscheljabinsk. Hajo fürchtet die Stadtdurchfahrt, denn sein Motor-Kühlkreislauf macht ihm den Eindruck, kurz vor dem Schlappmachen zu sein (vermutlich Wasserpumpe defekt). Da gibt es jetzt offensichtlich einen vollständigen Umgehungsstraßenring (jedenfalls im Zumo - wie konnte man jemals ohne klarkommen? - aber in der Papierkarte ist er lückenhaft), aber mit der typisch russischen Beschilderungsqualität, wo für jede Richtung genau einmal genau ein Ziel angeschrieben ist. Den Nordring finden wir nach einmal Wenden trotzdem. Als wir am östlichen Ende der Stadt sind und das Zumo in unserer Richtung eine motelfreie Zone prognostiziert (wobei es oft durchaus mehr gibt als im Zumo bekannt), übernachten wir direkt dort an der Kreuzung. ° Tag 10 Bezüglich Werkstatt-Überlegungen fällt mir zunächst nur ein, daß ich in Jekaterinburg (gut 200 km nördlich) wieder finden würde, wo letztes Mal die Honda-Werkstatt war, von der ein dort nahebei getroffener italienischer Transalp-Fahrer berichtete, daß die eigentlich keine Motorräder machen, aber ihm trotzdem die Kette gewechselt (und extra besorgt) hatten - das wäre immerhin ein Anlaufpunkt. Ob es wirklich nichts Näheres gibt? Eine Internet-Recherche (im heutigen Motel ist das WLAN brauchbar) nach örtlichen Werkstätten bzw. Motorradclubs zeitigt keine direkten Treffer. Auf der russischen Africatwin-Seite steht einer aus Hamburg, der bei Louis arbeitet(e?), aber ohne Kontaktadresse. Unter den drm-Mitlesern gibt es doch einen mit guten Kontakten zu Louis: vielleicht bekommt der die Handynummer o.ä. raus? Ein Mitarbeiter mit dem gesuchten Namen erweist sich aber als unauffindbar. Weiteres Probieren liefert dann auch am Ort eine vierrädrige Honda-Werkstatt (pikanterweise ist die nur bei Google bekannt und nicht bei Yandex - die Honda-eigenen Suchseiten kennen nur deutsche Adressen bzw. funktionieren nicht), einen "Irgendwie"-Motorradladen - und die Erkenntnis, daß es wohl zwei Motorradclubs gibt. Als einzige Kontaktadresse findet sich bei dem einen in einem Profil eine Handy-Nummer. Ich nehme meinen gesamten Mut und Erfahrung zusammen, dorthin in russischen Worten mit lateinischen Buchstaben eine SMS zu schreiben, um nach einer Werkstatt zu fragen. (Auf die Idee, bei meinem Omsker Kontakt anzufragen, bin ich in dem Moment nicht gekommen - aber so unwahrscheinlich ist es nicht, daß die mir da im Kreis der befreundeten Clubs einen Ansprechpartner hätten nennen können.) Tatsächlich kommt eine halbe Stunde später Antwort-SMS mit einer Adresse - die aber wieder im Westen der Stadt liegt. Um durch selbige nicht unnötig weit (mit Motorüberhitzungsgefahr) durch zu müssen, nehmen wir wieder den Ring, aber jetzt südlich herum. Für auswechslungsbedürftig befunden wird dann ein Dichtring am Thermostat, der Thermostat selber (ein passendes gebrauchtes Teil findet sich an einer Suzuki) und außerdem die Kühlflüssigkeit, nachdem der Mechaniker in Schnappatmung verfallen war bei der Auskunft, sie sei 3 Jahre und vor allem rund 100 Mm alt. Ein Probelauf im Stand sieht brauchbar aus. Berechnet wird lediglich das Material, aber für die Arbeitszeit will er nichts haben - das sei unter Motorradtouristen hier so üblich. Abends übernachten wir nochmals in Tscheljabinsk, aber im dieses Mal im "Bike-Post" (fast) mitten in der Stadt. ° Tag 11 Weiterfahrt von Tscheljabinsk-West Richtung Kurgan über den südlichen Ring, den wir damit komplett kennen. Ein unklar beschildertes Autobahndreieck führt in die falsche Richtung - das Zumo meint wenden an der Ausfahrt in 6 km, aber wozu gibt es denn hier an der Bushaltestelle einen Zebrastreifen mit Loch in der Leitplanke? Die 200 km von Petuchowo (dort ist die M51 nach Omsk immer noch ostwärts ausgeschildert, das geht aber durch Kasachstan durch mit zweimal Grenzabfertigung) bis Ischim dauern gut 2 Stunden. Das ist insofern erwähnenswert, als es letztes Mal deutlich länger war, wo die Lkw im Schneckentempo Schlangenlinien über die gesamte Straßenbreite fuhren, um den Schlaglöchern auszuweichen, aus denen von einem umgefallenen Motorrad nichts mehr herausgeschaut hätte - und anschließend waren einige Kilometer Baustelle mit losem Grobschotter gewesen, der mit den schwer bepackten Motorrädern eigentlich nicht fahrbar war. Aber letztes Jahr sei das endlich gemacht worden, berichtet ein örtlicher Motorradfahrer, der uns (nach Einholung eines gezielten Hinweises aus Omsk) zur Übernachtung empfängt. Das Treffen an der Gaspromneft-Tankstelle braucht freilich zwei Anläufe, denn in wenigen km Umkreis gibt es einen ganzen Sack voll Tankstellen dieser Marke. Der Ort habe 70.000 Einwohner und 10 Motorradfahrer - davon nur diesen einen, der auch mal längere Strecken fährt. ° Tag 12 Von Ischim ostwärts ist die Straße weiterhin (wie vor 5 Jahren) in miserablem Zustand. das Fahren hinter Schneckentempo-Lkw ist im Normalfall lediglich lästig, aber für Hajo mit unzureichendem Kühlwassertransport ein ernstes Problem (die Reparatur vom Vortag hat zwar für Besserung, aber nicht wirkliche Gesamtbehebung gesorgt). Hinter Abatskoje sind dann mehrere Großbaustellen bzw. frisch sanierte Streckenabschnitte. Am Stadtrand von Omsk erwarten uns die sibirischen Bären: einer davon ist der örtliche KTM-Händler, der uns erst einmal zum Tee in seinen nahegelegenen Verkaufsraum einlädt (darin aufgereiht stehen schwerpunktmäßig die diversen Dukes, weniger die Kampfenduros, und auch von den Zweizylindern ist nahezu das komplette Sortiment da, bei der aktuellen örtlichen Währung freilich Millionenobjekte), und dann in ihr Clubhaus, für das sie uns nach reichlich Smalltalk zur Übernachtung den Schlüssel überlassen. | Richtung Osten - Teil 4: Omsk - Irkutsk Wie von den Clubhaus-Besitzern erläutert finden wir in einem nahegelegenen Wohnblock einen Laden für ein paar Dinge fürs Frühstück, außerdem ist der Flughafen in direkter Nähe (und rund um die Uhr geöffnet, obwohl planmäßig gegen 19 Uhr der letzte Flug geht - die Anzeigetafel nennt natürlich vor allem Moskau, aber zwischen ost- und südrussischen Zielen taucht auch eine Direktverbindung mit München auf). Dort ist für uns in erster Linie das Bistro von Nutzen. Aber auch die Bankomaten-Armada wird durchprobiert: während die allgegenwärtige Sberbank pro Vorgang nur noch 5000 Rubel herausrückt (das reicht für Tanken, Essen und Schlafen gerade mal zwei Tage - keine Ahnung, ob das irgendwie mit den verhängten internationalen Sanktionen zusammenhängt), ist es bei der Gasprombank immerhin das Doppelte. In der Halle (die ungefähr so groß ist wie "Karlsruhe") könnte man außerdem Geld wechseln (auch der Bankschalter ist rund um die Uhr geöffnet) und Souvenirs kaufen: durchaus schöne Dinge, aber für meinen Geschmack letztlich doch nur Staubfänger. Da ist es ideell um ein Vielfaches wertvoller, daß die Bären extra einen Bilderrahmen mit ihren Clubsymbolen gebastelt und mir überreicht haben :-) ° Tag 13 Geplant bzw. vorgeschlagen wäre gewesen, daß sich die KTM-Werkstattleute unsere Motorräder anschauen (bei mir sind es "nur" die Blinker, die nicht mehr richtig funktionieren) und etwaige nötige Teile zu Freunden nach Nowosibirsk liefern lassen (so daß wir da noch 1..2 Tage zum Fahren hätten, statt "nutzlos" am Ort zu warten). Aber Hajo mag nicht noch weiter ostwärts fahren mit ungewisser Perspektive, ob er dort die Wasserpumpe (oder was sonst nötig ist) bekommt, und will lieber vorzeitig den Heimweg antreten, um auf selbigem genügend Zeit für etwaige Abkühlpausen zu haben. Zusätzlich bzw. statt dessen würde Hajo gern einen Arzt aufsuchen, der ihm einen Ohrenschmalzpfropfen entfernt. Auch da ist es wieder sehr von Vorteil, die einheimischen Leute zu kennen, die einen zur richtigen Örtlichkeit bringen. Nach erfolgter Behandlung zeigt uns Witali noch einige Sehenswürdigkeiten der Stadt. Unerwartet schwierig erweist sich freilich der Kauf von Briefmarken: diese auf Vorrat mitzunehmen und die Postkarten (die vor allem Hajo schreiben will) später einzuwerfen, scheint nicht üblich zu sein. Man soll die fertig geschriebenen Karten mitbringen und direkt im Postamt abgeben. Der russische Fahrstil ist schon interessant: wie unser Stadtführer da im Auto redet, telefoniert und gestikuliert, meint man dauernd befürchten zu müssen, daß es gleich kracht. Aber nein: er sieht trotzdem rechtzeitig jedes Schlagloch, jeden unerwarteten Spurwechsler und dergleichen. Apropos zu den Ampeln: ob bei Gelb noch fahren schon strafbar ist, weiß ich nicht - zumindest ist es nicht üblich. Viele halten sogar schon bei Blinkgrün an (4 Sekunden vor Gelb wie in Österreich), denn Zwischenzeiten bzw. Räumzeiten gemäß RiLSA scheinen unbekannt: beim Wechsel von Gelb nach Rot springt oft schon sofort die Querrichtung auf Grün. Wer dann noch nicht weg ist (weil z.B. die Straßenbahnschienen nur mit reduziertem Tempo überquerbar sind), wird angehupt. Besonders nett anzusehen in diesem Sinn sind manche Fußgängerampeln, wo die grüne Figur ein animiertes Bild ist, das vom anfangs gemütlichen Schlendern bei fortschreitender Gründauer immer mehr in hektisches Gerenne übergeht ;-) ° Tag 14 Nach nochmaliger Übernachtung in Omsk trennen sich nun unsere Wege: Hajo fährt zurück Richtung Westen (von wo mir später die Nachricht zugeht, daß er mitsamt noch lebendem Motorrad angekommen ist), und ich fahre weiter Richtung Osten. Die Straße ist in beinahe neuwertigem Zustand, und wo nicht, wird gebaut: je weiter östlich, desto länger werden die einspurigen Abschnitte und desto seltener die Ampeln. Statt dessen stehen Einweiser, die sich über Sprechgeräte verständigen und die Strecke ohne Verlustzeiten freigeben, sobald der Gegenverkehr durch ist (und bis dahin schon mal fragen, was das denn bringen soll mit dem Motorrad nach Irkutsk, mit dem Zug sei es doch viel billiger ...) Für Nowosibirsk habe ich von Witali die Telefonnummer eines Freundes, bei dem er mich angekündigt hat. Als ich mich vom Stadtrand aus wegen dem genauen Treffpunkt melde und der Vorschlag auf Flughafen Tolmatschowo lautet, finde ich diesen als Wegpunkt im Zumo und gebe entsprechend meine Ankunftszeit an. Aber Pfeifendeckel: dieser Wegpunkt ist ein verbotener Hintereingang am Radarturm. Um zum offiziellen Eingang bzw. Vorplatz zu kommen, muß ich wieder die 20 km Feldwege zurück und eine gute Stunde außenherum fahren, wo mich Kyrill (nennen wir ihn so) mit zwei weiteren Bekannten bei einbrechender Dunkelheit in Empfang nimmt, zu seiner Werkstatt bringt (wo das Motorrad übernachtet) und dann in seine Wohnung (wo ich übernachte). Unter anderem erzählt er mir die (teilweise auch im deutschen Africatwin-Forum nachlesbare) Geschichte von der Africa Twin, die er letztes Jahr zu Gast hatte und die an einem zusammenbrechenden Getriebeausgangswellenlager krankte, und daß man hier erzählt bekomme, daß man offiziell 8% Inflation hätte (was in der Tat der Steigerung des Benzinpreises seit dem letzten Mal entspricht), das aber nicht so recht glauben wolle. ° Tag 15 Am nächsten Morgen schaut Kyrill sich mein Blinkerproblem an (das von Omsk hierher vertagt wurde) und meint "das sieht lediglich nach verdreckten Kontakten im Schalter aus, das haben wir gleich". Uns als meine Abfahrbereitschaft näher rückt, fragt er, wie weit ich heute wohl noch fahre? Ach ja, da wohnt bei Bogotol ein Freund ("Hallo Wolodia: bist Du heute abend daheim? Kann ich Dir einen Gast vorbeischicken? er kann sich auch auf russisch verständigen"), der mich erwartet. Was den Treffpunkt angeht, fahre ich an der Hauptstraße von der Abzweigung (wer weiß, wie viele es da gibt) sicherheitshalber nochmal die Handvoll Kilometer zurück in den letzten Ort, um daselbst eine bestimmte Tankstelle als Position anzugeben. Nach wenigen Minuten ist Viktor da, führt mich erst zu seinem Agrarbetrieb (wo meine Honda neben einer BMW übernachtet), und mit Wolodia weiter in ein abgelegenes Holzhaus im Wald, wo es zum Empfang direkt in die Banja geht. ° Tag 16 Offensichtlich mache ich einen guten Eindruck, denn abgesehen von der ausdrücklichen Einladung, falls ich auf dem Rückweg wieder vorbeikomme, wie weit ich heute ungefähr fahre? Ach, genau dort wohnt doch Oleg ;-) Auf dem Weg dorthin gilt es freilich Atschinsk, Krasnojarsk und Kansk zu bewältigen. Ersteres wäre wahrscheinlich auch selbständig kein Problem, aber dann steht an einer Ampel eine Yamaha (ohne Kennzeichen ;-) neben mir, die nach dem Woher und Wohin fragt und mich zum richtigen Stadtausgang eskortiert. Bei Krasnojarsk ist die Besonderheit, daß ich letztes Mal an einem großen Kreisverkehr 30 km vorher viel Zeit zum Fotografieren hatte, was da an Blumen und Verkehrsschildern aus dem Boden sprießt, während mein damaliger Mitfahrer den Benzinkurier machte (nachdem ich eine Tankstelle ausgelassen hatte, wo es nur 92er und kein 95er gab). Mit dem heutigen Tankstellennetz würde das jedenfalls an dieser Stelle nicht mehr passieren. Auch an der Krasnojarsker Umgehungsstraße (wo es letztes Mal auf rund 100 Kilometern überhaupt nichts gab) ist inzwischen die eine oder andere Tankstelle in Betrieb und weitere in Bau. Und Kansk ist das, wo uns letztes Mal ein Einheimischer vor der Umgehungsstraße gewarnt (und statt dessen die Stadtdurchfahrt empfohlen) hatte. Rein aus Neugier schaue ich sie trotzdem an: es ist unverändert (im Gegensatz zu manch anderem Streckenabschnitt, wo mächtig gebaut wurde bzw. wird) die Schlagloch-Schotterpiste, wo Lkw wieder nur im Schneckentempo vorankommen (jedoch im Durchgangsverkehr zu dieser Strecke verpflichtet sind). Am östlichen Rand der Stadt ist dann wieder die starke Stunde Vorlaufzeit erreicht, mit der ich meinem heutigen Gastgeber die voraussichtliche Ankunftszeit mitteile. Ich solle mich dann an der Abzweigung von der Umgehungsstraße in sein Dorf nochmal melden. Die inzwischen fast schon übliche Empfangsprozedur ist wieder die Abholung am Ortsrand, Banja, und dann Grill im Garten. ° Tag 17 Mein Kofferträger zeigt sich lommelig, weil nahe der linken Fußraste durchgebrochen. Kein Problem sagt Oleg, im Geschäft habe ich ein Schweißgerät - also nimmt er den abgebauten Träger dorthin mit. Bis er zurückkommt, habe ich auch das Rahmenheck freigelegt - und festgestellt, daß da die Kofferträgerhalteschraube nicht etwa verlorengegangen, sondern abgebrochen ist. Auch kein Problem: Oleg fährt nochmal ins Geschäft zwecks einer Bohrmaschine zum Ausbohren - und ein drittes Mal, um seinen darauf spezialisierten Mitarbeiter zu holen, weil es nicht auf Anhieb klappt. Letztlich ist das Schraubloch wieder frei und der Kofferträger wieder fest. Freilich bedeutet die dadurch verzögerte Weiterfahrt, daß ich in Irkutsk wohl erst spät am Abend ankomme. Und davor liegt noch zwischen Taischet und Tulun der (beim letzten Mal jedenfalls) abenteuerlichste und zeitraubendste Abschnitt der gesamten Strecke. Da hat sich freilich einiges getan: es gibt jetzt eine komplett neue Straße. Die vormalige provisorische Grobschotterpiste ist nur noch ansatzweise zu finden, und auch Tulun (vormals Kopfsteinpflaster in fortgeschrittenem Verfall) ist entweder repariert oder die Streckenführung geändert. Trotzdem prognostiziert das Zumo weit nach Mitternacht, falls ich noch bis Irkutsk durchfahren wollte (die Schraubaktion am Morgen hat doch etwas Zeit gebraucht). Die Irkutsker würden mich da zwar durchaus noch in Empfang nehmen. Aber wenn's dumm läuft, liegen noch Schlechtwegstrecken, Baustellen, oder frisch sanierte Abschnitte ohne Straßenmarkierung dazwischen - bei Dunkelheit alles nur begrenzt begeisterungsfähig. Ich bin hier im Urlaub und nicht auf der Flucht, also suche ich noch ein weiteres Zwischen-Motel auf, nachdem ein Bahnübergang zwar noch das eine oder andere Zug-Foto liefert, aber auch rund eine Viertelstunde Wartezeit. ° Tag 18 Die letzte Etappe bis Irkutsk verläuft ohne besondere Schwierigkeiten. Als es wieder ungefähr eine Stunde vorher ist, rufe ich wieder die (in Omsk erhaltene) Nummer wegen Treffpunkt bzw. Zieladresse an: ich soll weiterfahren, bis mich vor Irkutsk jemand mit einem Motorrad erwartet. Nach längerer durchgehender Hauptstraße an einem großen Kreisverkehr meint das Zumo, es seien jetzt keine zwei Kilometer mehr bis zum Stadtmittelpunkt - somit dürfte "vor Irkutsk" spätestens hier vorbei sein. Kaum daß ich am Stehen bin, kommt eine Harley angefahren, die nach mir auf der Suche ist. Pawel (nennen wir ihn so) bringt mich an ein anderes Ende der Stadt und noch ein Stück weiter auf eine Tourbasa. Das ist so ein russischer Ausdruck, für den es keine direkte Übersetzung gibt - Ferienanlage könnte es treffen. Die hier ist seit 12 Jahren stillgelegt und wird gerade von den Club-Leuten vom Unkraut u.ä. befreit, weil dort in Kürze ihr Motorradtreffen stattfindet. Ob ich denn schon früher in Sibirien gewesen sei? Ja, einmal vor 5 Jahren ... "mit Volker?" sagt dann einer wie aus der Pistole geschossen "und meinem erfolglosen Versuch, euch SIM-Karten zu besorgen" (und noch 1..2 Einzelheiten, an die er sich genauestens erinnert ;-) Später geht es zurück in die Stadt, und ich habe (zum zweiten Mal auf dieser Tour) die Ehre, im Clubhaus einquartiert zu werden. Gleiches trifft auch auf meinen Abholer zu, der eigentlich 1000 Kilometer weiter östlich wohnt. Er ist schon ein paar Tage länger da und steht somit praktischerweise zur Erläuterung aller Details des Hauses zur Verfügung. ° Tag 19 In dem Irkutsker Clubhaus könnte ich mal wieder mein Motoröl auffüllen oder vielleicht auch wechseln (immerhin ist es 9 Mm alt). "Filter hast Du einen dabei? Hast Du mal 1400 Rubel?" So schnell kann ich gar nicht schauen, wie Pawel damit verschwindet, kurz danach mit 3 Litern Öl zurückkommt, und sich ans Schrauben macht (nachdem er mich den Motor hat warmfahren lassen). Außerdem gibt es Reifen an einem Clubmotorrad zu wechseln. Nochmal ein Abstecher zur Tourbasa, dann ist es auch nicht mehr weit bis Listwjanka - wo es nicht die mondäne Strandpromenade mit Protzpublikum aus aller Herren Länder gibt, wie ich es mir angesichts der einen oder anderen Erzählung vorgestellt hatte, sondern die Welt eher unscheinbar aufhört. Trotzdem reicht das Verkehrsaufkommen (es ist Wochenend-Rückreiseverkehr) für 30 km Stau vor einer Langsamfahrstelle. Keiner regt sich auf, als wir da einfach vorbeifahren. Abends treffen sich etliche Mitglieder im Clubhaus, noch ein weiterer (außer Pawel und mir) bleibt auch über Nacht. Deren dunkler Teil ist schon fast wieder vorbei, bis wir uns ausgeredet haben und doch mal müde zu sein beschließen. | Richtung Osten - Teil 5: Irkutsk - Barnaul ° Tag 20 Eigentlich hätte ich es in Irkutsk durchaus noch etwas länger aushalten können - jedoch wenn ich auf das Treffen nach Barnaul möchte und vorher noch einen Abstecher Richtung Altai einbauen, dann wird die Zeit etwas knapp ... Meine beiden Gastgeber nehmen mich mit in die Stadt zum Frühstück in ein burjatisches Spezialitäten-Café. Einer begleitet mich noch ein Stück aus Irkutsk hinaus, bevor es auch von ihm Abschied zu nehmen heißt. Die Fahrt geht auf der (hier herum alternativlosen) M51 Richtung Westen, bis ich den Fahrtag in einem Motel beende. ° Tag 21 Auch der nächste Tag dient im wesentlichen der reinen Entfernungsbewältigung. Das voraussichtliche Ende könnte passen, um auf die Rückfahrt-Einladung von Viktor zurückzukommen? Es wird zwar (wieder) etwas spät, aber das sei kein Problem. Auf den letzten Metern zu dem Holzhaus im Wald ist die Lehmpiste nach dem zwischenzeitlichen Regen merklich schwieriger zu fahren - nicht mit dem Motorrad (das wäre auch trocken schon kaum zu schaffen gewesen), sondern mit dem UAZ, der seinen Allradantrieb jetzt auch wirklich braucht. ° Tag 22 Weiter geht es zunächst Richtung Westen nach Kemerowo, wo am Ortseingang wieder die Tafel steht, die den fünf wichtigsten Fernzielen jeweils eine Ziffer zuordnet - und in der Stadt stehen oft nur noch diese Ziffern auf den Wegzeigern. Statt der ganz großen Strecke nach Westen biege ich Richtung Süden ab (da gibt es ein Stück weit sogar eine richtige Autobahn statt nur "irgendwie" vierspuriger Straße) und finde im zweiten Anlauf (nach einer nicht praxistauglichen Zumo-Empfehlung) die etwas kleinere (durchgehend asphaltierte) Straße an Nowosibirsk vorbei Richtung Barnaul. Aber das heutige Ziel soll noch etwas weiter südlich sein. In Bisk (manche schreiben es auch Bijsk oder Biysk) gestaltet sich die Quartiersuche etwas zäh und letztlich erfolglos. Ein Stück weiter findet sich eine Bleibe, aber zum Essen muß ich mich etwas(!) beeilen: denn hier ist die Küche nicht rund um die Uhr geöffnet, sondern nur bis 21 Uhr. ° Tag 23 Also fahren wir die Hauptstraße M52 durchs Altai Richtung Süden (und halten dabei nach potentiellen Quartieren Ausschau), wie es eben reicht, um am nächsten Tag zu passender Uhrzeit wieder zurück in Barnaul zu sein. Anfangs ist der Verkehr und die Bebauung noch ziemlich dicht, aber dann bricht es ziemlich plötzlich ab (ungefähr an der Stelle, die man von Nowosibirsk aus noch ohne Zwischenübernachtung erreicht). Da gibt es immer wieder Kühe und andere Tiere auf der Fahrbahn (einmal kommt stilgerecht der Cowboy hinterhergeritten), die eine oder andere Kurve und einen Bergpaß. Bis zur mongolischen Grenze ist es jedoch bei meinem anderweitigen Vorhaben entschieden zu weit, so daß ich irgendwann umkehre. Aber für einen Eindruck, wie es aussieht, hat es ausgereicht. ° Tag 24 Auf dem letzten Teilstück meiner Altai-Rückfahrt treffe ich zwei Reiseenduristen (aus Finnland und Italien) - endlich kann man fast sagen, denn das ist das erste (und auch letzte) Mal. Die typischen westeuropäischen Africa- oder GS-Zweiergruppen, die beim letzten Mal häufig zu sehen waren (ungefähr jeden Tag sind wir da ein- oder zweimal einer solchen begegnet), sind mir dieses Mal sonst überhaupt nicht aufgefallen. Es waren lediglich einzelne Reiseenduristen zu sehen oder aber Nicht-Enduristen, die eher nach Russen als nach Ausländern aussahen. (Haben sich letztere von der großpolitischen Entwicklung vielleicht doch etwas abschrecken lassen?) In Barnaul soll also an diesem Wochenende ein größeres Treffen der sibirischen Motorradclubs stattfinden. Am Stadtrand bei den erfragten GPS-Koordinaten fahren mir drei Einheimische vor die Nase, die eindeutig zu dem veranstaltenden Club gehören - also fahre ich denen einfach mal hinterher. Damit komme ich freilich nicht auf das Treffgelände, sondern auf den Platz im Stadtzentrum, wo sich schon etliche Motorräder für den späteren Korso durch die Stadt (und zum Treffgelände) eingefunden haben. Eigentlich bin ich hier ja völlig fremd. Aber zwei Leute hatte ich informiert, daß ich auf dieses Treffen kommen würde - und das hat sich herumgesprochen, jedenfalls werde ich immer wieder gezielt angesprochen und begrüßt. Ebenfalls angesprochen werde ich von einem Polizisten, als ich nach einem Foto von der anderen Straßenseite einfach wieder zurück möchte: "ey, der Überweg ist da vorn an der Kreuzung". Und als ich mich dorthin auf den Weg mache, sagt er noch auf deutsch(!) "Entschuldigen Sie bitte", was zur Erheiterung der umstehenden Schaulustigen führt ;-) Immerhin hat der Umweg den Vorteil, daß ich an einem WC vorbeikomme, nach dem ich zuvor ergebnislos gefragt hatte. Auf der Tribüne spielt eine Blaskapelle, bis nach geraumer Zeit zum abfahrfertigen Aufreihen gerufen wird. Unter Polizeibegleitung (und Aufhalten des übrigen Verkehrs) geht es zunächst zum Bahnhof und Kriegerdenkmal, anschließend wieder durch die Stadt zurück und aufs eigentliche Treffen. Kyrill ist da (der aus Nowosibirsk), Wolodia ist da (der aus dem einsamen Blockhaus), die sibirischen Bären sind mit ihrem Präsidenten da (allerdings ohne weitere Begleitung). Und ein anderer Motorradclub aus Omsk ist da, von dem ich das Club-Logo (beim letzten Mal vom Präsidenten persönlich angebracht, als ich in seiner Eigenschaft als Reifenmonteur dort war) auf dem Motorrad kleben habe - da sollte ich mich zumindest mal kurz melden (was ich auf dem Hinweg nicht gemacht habe). Und auch die erinnern sich noch genau an das letzte Mal, als wir mit ihnen von Omsk nach Kemerowo gefahren und dabei beinahe von den Ziegelsteinen erschlagen worden sind, die von entgegenkommenden Lkws fielen. Da bekomme ich trotz etwas Enge in ihrem Bereich einen Platz für mein Zelt zugewiesen. ° Tag 25 Der Tag beginnt mit Herumspazieren auf dem Gelände mit Suchen und Finden von alten und neuen Bekannten. Zwischendurch läuft das offizielle Programm mit Prämierung des schönsten Umbaus, des lautesten Auspuffs und anderem mehr - Wettbewerb für die weiteste Anfahrt gibt es freilich keinen. Gegen den einen Mainzer hätte ich durchaus gewonnen, nicht jedoch gegen den einen Londoner, und außerdem war eine Vespa mit italienischem Kennzeichen da (wo freilich dahingestellt sein kann, ob die tatsächlich von dorther angereist ist). Für Stimmung sorgt der Kampf auf dem Schwebebalken, wo zwei Kontrahenten mit Kissen aufeinander einprügeln, bis einer in den (extra angerichteten) Baatz fällt. Einer steigt so schwungvoll auf, daß er auf der anderen Seite gleich wieder herunterfällt, und das dreimal hintereinander ;-) "Schaut mal nach oben" sagen die Umstehenden und kurz darauf auch der Bühnensprecher: da ziehen (extra aus Anlaß des Treffens organisiert) mehrere Flieger ihre Bahnen, Kreise, Loopings und andere Figuren. Nicht auftreiben läßt sich der Fahrer einer kemerowsken (farblich genau meiner eigenen entsprechenden) Africa. Und die eine RN06, die beim Korso war, sehe ich auf dem Treffen bedauerlicherweise gar nirgends mehr. Dann stehe ich aber doch noch nicht nur vor einer Africa, sondern auch deren Fahrer - der in Bisk den "Bike Post" betreibt (schade, daß ich das nicht schon drei Tage vorher wußte). Eine weitere Africa samt Fahrer findet sich aus Moskau - allerdings auf dem Weg Richtung Osten, so daß es mit einem unmittelbaren Besuch auf meiner Rückfahrt nicht klappt. Immer wieder kommt natürlich die Frage nach meinem verlorengegangenen Mitfahrer (nachdem ich ihn erwähnt hatte) und seinem Kühlerproblem. Wieso der denn nicht weiter mitgefahren ist? Es gebe doch im Land viele Africas (mein Eindruck wäre das zwar nicht, bzw. wenn, dann sind es meistens westeuropäische Touristen - vielleicht kommt es ja auf die Definition von "viele" an ähnlich wie bei dem Privatzimmer, wo wir vor Jahren in Lettland waren und fragten, ob denn viele Deutsche kämen: "oh ja, sehr viele, ihr seid jetzt dieses Jahr schon die dritten") - und es gebe somit vor allem auch Teile dafür, ohne daß man alles einzeln aus Japan einfliegen müsse. Man würde mich gerne auf das noch größere Treffen in Nowosibirsk (Kemerowo findet dieses Jahr nicht statt) einladen. Das ist aber noch 2 Wochen hin, und bis dahin werde ich längst wieder daheim erwartet ... | Richtung Osten - Teil 6: Barnaul - Moskau-West ° Tag 26 Vom Treffen in Barnaul startet "mein" Omsker Club in mehreren zufälligen Kleingruppen (also nicht etwa der Präsident voraus und die Gefolgschaft hinterher, oder die Eskorte voraus und der Präsident hinterher oder sowas). Ich fahre mit zwei anderen zusammen - die nach wenigen Kilometern auf dem Seitenstreifen anhalten, weil sie einen größeren Vogel abgeschossen haben, der den seitlichen Luftfilter halb weggerissen hat, welcher wieder richtig montiert werden muß. Beinahe gehen dabei die Schrauben im Seitenstreifenschotter verloren. In Nowosibirsk meinen sie "wir sind doch auf der Herfahrt dort drüben hergekommen" (statt die offizielle, aber längere Umgehung zu fahren), kennen sich da aber auch nicht in allen Details aus, obwohl auch diese Strecke sogar überörtlich beschildert ist (wenngleich nicht mit Ortsnamen, aber mit der (alten) Straßennummer M51). An mehreren Zwischenhalten gibt es Abgleiche zwischen ihren Smartphones, meinem Zumo, Wegweisern und Passanten-Auskünften. Nach erfolgter Nowosibirsk-Durchquerung geht es zusammen weiter, aber irgendwo unterwegs verliere ich meine Mitfahrer. Es beginnt zu regnen. An einer Bushaltestelle bzw. deren Wartehütte ziehe ich das Regenzeug an. Gerade als ich weiterfahren will, hält hinter mir eine BMW und hat die gleiche Idee - der Fahrer in voller Touratech-Vermummung. "I'm going from Baikal to Moscow" - ach, noch so einer ;-) Dann fällt mir am Motorrad kleines Detail auf, das mich zu der Frage veranlaßt "hab' ich Dich etwa vor vier Wochen im Schwarzwald getroffen?" womit ich freudiges Nicken ernte. Die Empfehlung für die Route geht zu Gunsten von Kasan (und somit gegen Rjasan entsprechend der Hinfahrt) aus. Ich soll mich melden, wenn ich nach Moskau komme, steckt mir seine Telefonnummer an den Tankrucksack, und ist wieder weg. ° Tag 27 Der vorhergehende lange Tag plus die zwei kurzen Nächte auf dem Treffen fordern ihren Tribut: erst gegen Mittag komme ich aus dem Bett und erst gegen 15 Uhr auf die Strecke, denn in der benachbarten Werkstatt hat mein treues Motorrad etwas Pflege verdient (Ölvorrat ergänzen, Luftfilter ausklopfen und dergleichen) und ist nochmal der eine oder andere Tee fällig mit den Bekannten von der Hinfahrt. Da wird es nichts mehr mit Tscheljabinsk, sondern reicht wieder nur bis Ischim - wo mich im Motel am Stadtrand wieder Alexei und ein weiterer örtlicher Motorradfahrer erwartet. Wie denn die Straße nach Irkutsk sei? Och, die ersten 30 km ostwärts sind ziemlich übel, aber danach weiter völlig unproblematisch. ° Tag 28 Statt dem direkten Weg nach Tscheljabinsk habe ich mir vorgenommen, einen Abstecher nördlich nach Jekaterinburg einzubauen zwecks Besichtigung der dortigen Asien-Europa-Grenze, von der ich im Kopf zu haben meinte, daß laut einem Flugblatt dort ein großes Besucherzentrum o.ä. geplant sei. Bis ich dort ankomme (und es gegenüber letztem Mal unverändert vorfinde), ist der Tag schon wieder etwas weiter fortgeschritten, als man sich für die stressfreie Weiterfahrt nach Süden bis Tscheljabinsk vorgestellt hätte. Nun denn, meine SMS nach Omsk ergibt "natürlich" wieder einen örtlichen Bekannten. Dieser spannt mich freilich etwas auf die Folter, denn aus den 20 Minuten, die ich am Telefon zu verstanden haben meinte, wird mehr als eine Stunde (naja, selber schuld: ich hätt' mich schon beim Eintreffen am Stadtrand oder zumindest an der eurasischen Grenze regen können, statt dies erst nach meinen dortigen Besichtigungsschleifen zu tun). Zwischendurch veranlaßt mich ein Parkplatz-Mitbenutzer zum Schmunzeln mit seiner Frage, ob ich aus einer bestimmten russischen Stadt sei? Jaahaha, wenn man sich mein Nummernschild etwas flüchtig anschaut (nur die untere Zeile und ohne genau auf die Schriftart zu achten), dann kann man diesen Eindruck bekommen, und das Wunschkennzeichen hatte ich seinerzeit durchaus mit diesem Hintergedanken gewählt ;-) Aber dann kommt der halbe örtliche Motorradclub herbeigefahren, um mich in Empfang zu nehmen. Nach Begrüßung und Absprache fahren wir zunächst ins Stadtzentrum zum allnächtlichen Treffpunkt der Motorradfahrer, und später weiter in ein Billardcafé. Das ist zum einen das Clublokal (mit Dekoration nicht nur aus Schildern und Fahnen, sondern auch zwei Oldtimer-Motorrädern) und zum anderen ein Hotel, in dem ich übernachte. Witja bleibt noch zum Essen und Erzählen. Daß ich nicht weit von der französischen Grenze wohne, sage ich nicht zum ersten Mal im Verlauf dieser Tour - aber er fragt konkret, wie weit ich es denn nach Paris hätte? Etwa 500 km, also mit dem Schienenfalken dreieinhalb Stunden, ab April 2016 [Nachtrag: wenn denn der Testbetrieb-Unfall vom 14. November 2015 nicht zu Verzögerung führt] voraussichtlich sogar unter drei Stunden. Da schaut ihm doch etwas der Neid aus den Knopflöchern ... ° Tag 29 Am nächsten Morgen rufe ich absprachegemäß wieder bei Witja an. Er habe jedoch Fieber (und seine Stimme klingt auch so), so daß die eigentlich geplante Stadtrundfahrt ausfallen (und ich mich selbständig auf den Weg nach Süden machen) muß. Wobei, was heißt da ausfallen: das ist ein Grund mehr, mal wieder in die Gegend zu kommen. Kurz vor Tscheljabinsk verlasse ich die Tankstelle mit einem Gemurmel "das WLAN hier ist ziemlicher Murks". Das bekommen zwei Honda-Fahrer mit: "dann fahr doch mit zu mir heim, da funktioniert es einwandfrei". Am Hauseingang nimmt er dann mit Stirnrunzeln den Zettel zur Kenntnis, daß heute der Strom abgestellt sei. Nun denn - wenn wir jetzt schon hier sind, dann ist der von der Hinfahrt bekannte Bike-Post gleich um die Ecke zum Essen und Trinken und Netzen. Für alle Fälle lasse ich mir noch die Bike-Post-Adresse von meinem voraussichtlichen Tagesziel Ufa geben. Ganz bis dorthin schaffe ich es aber nicht, denn als zusammen mit der Dunkelheit auch wieder Regen einbricht, bleibe ich lieber im nächsten Motel. ° Tag 30 Bei weiter regnerischem Wetter fahre ich nach Ufa hinein. Mit dem inzwischen antrainierten Hinterhof-Instinkt finde ich schließlich auch allein (bei dem Wetter sind keine örtlichen Motorradfahrer auf den Straßen) ein Haus mit der angegebenen Nummer Karla Marksa 15/2, aber daselbst nichts, was auf einen Motorrad(fahrer)stützpunkt hindeutet. Nun denn, weiter nach Norden (bei wieder trockenerem Wetter). Interessant ist ein ca. sechsspuriger Kreisverkehr in der Stadt, wo sich ein tatütender Polizeiwagen auf der innersten Spur durchkämpfen will. Ich bin auf der äußersten Spur und ganz ohne Drängelei schneller durch ;-) Daß meine Kette direkt nach der Heimkehr auswechslungsreif sein würde, ist schon länger klar. Aber so langsam kommt der Verdacht auf, daß ich schon deutlich vorher ans Ende des Einstellbereichs komme. Schauen wir mal für alle Fälle in Kasan nach verdächtigen Adressen: da kennt mein Zumo (bzw. dessen OSM-Karten) immerhin drei Punkte, deren Namen auf Motorradhändler hindeutet. Zwei davon existieren tatsächlich (der nahegelegene dritte ist offensichtlich die alte Adresse des zweiten, der kürzlich umgezogen ist), haben aber zur abendlichen Stunde schon geschlossen. Suchen wir also erstmal ein Motel. Das erste am Innenstadtrand bezeichnet sich als voll, das nächste ist eine Sportferienanlage und zum bloßen Übernachten deutlich zu teuer, das dritte schon an der Autobahn Richtung Moskau ist aufgegeben, ebenso das vierte. Schließlich findet sich eine Bleibe in einer Lkw-Werkstatt. Das Zimmer ist in Ordnung, ebenso die Parkplatzbewachung, aber die insgesamte Anlage in etwas mäßigem Zustand und zudem nur durch inoffizielles Wenden am Zebrastreifen erreichbar. ° Tag 31 Ein SMS-Austausch mit Oleg bestärkt die Vermutung, daß ich zum Kettenwechseln am besten nach Moskau fahre (das liegt ohnehin an meinem Weg), wenn ich es denn noch bis dahin schaffe - zurück nach Kasan wären es doch schon an die 40 km, die noch dazu gestern stadteinwärts mehrere Kilometer Stau an einer Brücke aufgewiesen hatten. Nach Abfrage der genauen Spezifikation folgt eine wahre SMS-Flut mit Adressen, wo Oleg eine passende Kette als vorrätig ausfindig gemacht hat. Die meisten sind naturgemäß in Moskau, aber eine auch auf halbem Weg in Nischni Nowgorod. Kurz vor der Abzweigung dorthin passiert doch noch, wovor ich auf den bisherigen 15 Mm verschont geblieben bin: ein Polizeiposten winkt mich raus. Nach einem Blick in die Papiere und der Frage nach dem Wohin will er aber nichts weiter von mir (ich hätte auch nicht gewußt, daß ich da irgendeine Übertretung begangen hätte). Direkt an der Straße ist die Hausnummer nicht auffindbar. Aber ein paar Meter zurück an der Einfahrt in eine Art Gewerbehof deutet ein Eingangswächter nach gaaanz hinten. Dort findet sich eine Halle "Lucky Bike" (das steht bei mir daheim auf den Autos eines Fahrradladens). Nach dem Begrüßungstee machen sich die Schrauber ans Werk, als ob da jeden Tag ein ganzer Sack von Touristen mit absterbender Kette vorbeikäme. Für meinen Geschmack spannen sie die neue Kette aber zu straff, so daß ich nach ein paar Metern nochmal anhalte und sie lockere. Weiter geht es Richtung Moskau (hier die M7 zwischen Ufa und Moskau ist deutlich besser ausgebaut als die M5 über Rjasan) bis in eines der hier zahlreich anzutreffenden Motels. Das Zimmer hat sogar ein eigenes Bad. ° Tag 32 Ob ich in Moskau bis zum Autobahnring fahre oder sogar noch weiter hinein bis zum dritten Ring? In Noginsk präsentiert sich mir voraus eine ziemlich dicke schwarze Wolke, wohingegen es nach rechts weg besser aussieht: also nehme ich hier zur Moskau-Umfahrung den ersten äußeren Landstraßenring (es gibt noch einen zweiten solchen noch weiter außen). So wirklich flüssig ausgebaut ist der aber nicht: an einigen Stellen gibt es längere Staus, insbesondere an der Einfädelung in die M9. Aber wieder einmal stört es niemand ersichtlicherweise, daß ich da dran vorbeifahre, soweit der Gegenverkehr mal geeignete Lücken läßt. Hinter der M9 kreuzt dieser Landstraßenring die M11: das ist die neue "echte" Autobahn von Moskau nach St. Petersburg. Noch ist sie in Bau und wird nach Eröffnung mautpflichtig sein, aber laut Oleg könne man sie durchaus jetzt schon fahren. Das neugierhalber mal ausprobieren klappt aber nicht, denn an der Einfahrt sind die Absperrungen ziemlich massiv und zudem Arbeiter gerade mit deren Vervollständigung beschäftigt. Also dann direkt weiter bis zur M10 von Moskau nach Westen. Da gibt es öfter mal 50 km lang keine Tankstelle und einmal 200 km lang kein Motel - also derart dünn gesät sind die Versorgungseinrichtungen ja nicht einmal hinten in Sibirien (jedenfalls dort, wo ich war). Vom vorletzten Mal erinnere ich mich, daß wir da zu ähnlicher Tageszeit auch ziemlich lange ziemlich vergeblich Ausschau gehalten haben, bis sich kurz nach einem Bahnübergang etwas fand. Den Bahnübergang meine ich wiederzuerkennen, aber das Motel danach ist nicht mehr da, dafür ein anderes. Der Vollständigkeit halber (aber ich hätt's wohl auch allein gefunden) lasse ich mich dorthin von den zwei Fahrern einer älteren großvolumigen (sichtlich heruntergerittenen) Yamaha begleiten, die ich am Straßenrand treffe und die "einfach so" etwas um die Stadt herum herumfahren. | Richtung Osten - Teil 7: Moskau-West - Deutschland ° Tag 33 Wohlan - die letzten Kilometer in Russland bis zur lettische Grenze und die Überquerung selbiger stehen an. Etliche überschüssige Rubel in Euro zurückwechseln braucht wieder detektivischen Spürsinn: denn die eine Tankstelle, die sich auch als Wechselstuben beschriftet, wechselt nichts, und auch nicht die Wechsel-Tankstelle von der Hinfahrt. Letztere verweist für dieses Vorhaben auf einen Kameraden, der im davorstehenden Auto eingenickt ist. Für den Fall der Fälle fürs nächste Mal lasse ich mir in einigen der grenznahen Motels noch die Telefonnummer geben, dann geht es auf zur eigentlichen Grenze. In welche Warteschlange ich mich einreihe bzw. vorbeifahre, ist insofern keine Frage, als es außer den großen Lkws (die ohnehin eine Schlange für sich bilden) gerade niemanden gibt, der vor mir warten würde. Nach dem russischen Teil der Grenzabfertigung (ich meine, beim letzten Mal hätte man da auch wieder in zweifacher Ausfertigung das Zollformular ausfüllen müssen - dieses Mal gibt es lediglich einen zusätzlichen Stempel auf das Einreise-Zollformular) fragt mich der lettische Grenzer, wo denn die anderen seien? Wir seien doch drei Motorräder gewesen, als er uns neulich in der Gegenrichtung kontrolliert habe. Nun ja, der eine ist weiter in die Mongolei und der andere vorzeitig zurück ... In Ludza ca. 50 km westlich der Grenze quartiere ich mich wieder in dem Hotel von der Hinfahrt ein. Zwar ist es noch etwas früh am Tag, aber so furchtbar groß habe ich die Moteldichte im weiteren Streckenverlauf nicht in Erinnerung. ° Tag 34 Die Ampeln bis Daugavpils sind (trotz 5 Wochen Baufortschritt) im wesentlichen noch die gleichen wie auf der Hinfahrt. Danach geht es ohne großen Aufenthalt weiter durch Litauen bis Polen. Die paar übrigen Z³oty von der Hinfahrt reichen nur für *einmal* Essen *oder* Schlafen *oder* Tanken. Somit betrete ich eine Wechselstuben (die hier deutlich seltener sind als im polnischen Westen). Der angebotene Umtauschkurs ist aber eine derart bodenlose Frechheit (nur 1:3,5 statt 1:4,0xx), daß ich mich doch lieber im (über)nächsten größeren Ort auf die Suche nach einem Bankomaten mache (auch wenn mein Kontingent der gebührenfreien Abhebungen ausgeschöpft ist). Noch durch Warschau durch (und dann ein Motel suchen) würde ziemlich spät, also bleibe ich lieber noch etwas vorher - was sich insofern als günstig erweist, als es nordöstlich an den Landstraßen zahlreiche Motels gibt, westlich an der Autobahn aber nicht so viel direkt ersichtliches. ° Tag 35 Heute spielt mir das Zumo wieder (wie schon am Vortag und auf der Hinfahrt) einen Streich mit der Aktualität der Karten (statt der russischen OSM-Karten habe ich wieder die Garmin-Europakarten aktiv). Denn die Straße, über die es mich schicken will, ist in der Praxis noch eine Baustelle. Und weil das am A1/A2-Autobahnkreuz bei £ódz war, bin ich erst einmal grottenfalsch in Richtung Norden unterwegs und kann das auch erst nach gut 20 km ändern - denn vorher kommt keine Ausfahrt (und auch die Zebrastreifen oder sonstigen Leitplankenlöcher wie in Russland gibt es hier nicht ;-). Vielleicht wäre es besser gewesen, in Warschau statt der A2 die 8 zu suchen, auf die ich später wieder komme. Aber erst einmal ist die Stadtdurchfahrt £ódz angesagt. Ob man mir's wohl übelnehmen würde, wenn ich rechts auf der Busspur vorbeifahre? Die polnischen Vierrädrigen sehen das nach meinem bisherigen Eindruck recht locker - und im letzten Moment (wo es zum Auslösen der Bordkamera nicht mehr reicht) sehe ich sogar auf der Beschilderung, daß die Busspur auch ausdrücklich für Taxis und Motorräder erlaubt ist. Allzuviel bringt's trotzdem nicht, denn da tummeln sich auch einige, die wahrscheinlich nicht dazu berechtigt wären. Südlich von £ódz finde ich wieder die S8. Das ist dort eine piekfeine neue Autobahn, die ohne Unterbrechung bis Wroc³aw führt (wo es weiter auf die A4 und weiter Richtung Dresden geht). Tankstellen oder Rasthöfe gibt es freilich (noch?) keine, lediglich nackte Parkplätze und fallweise Hinweisschilder auf Tankstellen in relativer Nähe von Ausfahrten. Nachdem auf dieser Strecke keine Mautgebühren fällig waren, habe ich noch etliche Z³oty übrig, so daß ich (außer einem späten Mittagessen und nochmal Volltanken) eine Wechselstube mit fairem Euro-Wechselkurs in Anspruch nehme. Über Dresden und Nürnberg fahre ich durch bis heim - vielleicht wäre noch eine Zwischenübernachtung kein Fehler gewesen, denn das wird spät in der Nacht. Noch etwas Essbares zu finden gestaltet sich schwierig: wir haben zwar hier in der Stadt (bzw. unmittelbar hinter deren Grenzen) nicht weniger als vier Autobahnrasthöfe. Aber wesentlich über 23 Uhr hinaus (wenn überhaupt so lange) hat keiner die Küche offen. Da muß man sich erst wieder umstellen, wenn man von den russischen Fernstraßen den Rund-um-die-Uhr-Betrieb gewohnt ist ... (Für Fragen oder Anmerkungen: .)